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Die geteilte Stadt

Die bewaffneten Separatisten in Donezk kann man meiden, entkommen kann man ihnen nicht. Sie verbreiten Angst, beherrschen Gespräche, spalten Freundschaften und Familien.

Für Diana Berg aus Donezk gibt es seit dem 13. März keinen Alltag mehr. An jenem Tag erlebte sie, wie prorussische Aktivisten einen Demonstranten erstachen. Er war wie Berg für die nationale Einheit der Ukraine auf die Straße gegangen. In derselben Nacht versuchte jemand, in ihre Wohnung einzubrechen. „Es ist gefährlich, in Donezk mit einer Ukraine-Flagge durch die Straßen zu gehen“, sagt Berg am Telefon.

Berg ist ethnische Russin, 34, Grafik-Designerin. Lange, sagt sie, sei sie apolitisch gewesen. Seit vor drei Wochen prorussische Separatisten das Verwaltungsgebäude im Stadtzentrum stürmten und forderten, über die Abspaltung der Region von der Ukraine abstimmen zu dürfen, wurde Berg endgültig zur Aktivistin: Gegen die Regierung in Kiew zwar, aber für die Einheit der Ukraine. Weder will sie eine antirussische Zentralregierung, noch die Trennung von ihrer Heimat. Mehrfach sprach Berg die bewaffneten Besetzer an, einfache Leute, die ihrer Meinung nach nur ein besseres Leben wollten. „Mit einigen von ihnen kann man reden. Aber das sind nur wenige.“

Der Konflikt zwischen prorussischen Separatisten im Osten des Landes und der ukrainischen Zentralregierung in Kiew, er hat die Donezker verändert. Er spaltet sie. Über eine Million Menschen leben hier, in der fünftgrößten Stadt des Landes. Viele Menschen fühlen sich mit Russland verbunden. Weil sie Verwandte in Russland haben, weil sie Russisch sprechen. Doch schon bei der Frage, ob die Donezker lieber zu Russland oder Ukraine gehören wollen, scheiden sich die Geister.

Föderalisierung oder Trennung?

„Wir ethnischen Russen wollen uns gar nicht von der Ukraine abspalten. Das behauptet Kiew, um uns als Terroristen behandeln zu können“, sagt Sergej Buntowskij von der prorussischen Organisation Donbasser Rus. Es ginge den Protestierenden um Föderalisierung, mehr Autonomie in wirtschaftlichen und kulturellen Dingen, erklärt der Aktivist gegenüber ZEIT ONLINE.

Viele Ostukrainer hätten Angst vor einer antirussischen Regierung in Kiew. Sie halten die Maidan-Bewegung für einen gezielten Putschversuch aus dem Ausland, bezeichnen Regierungsmitglieder als Faschisten, die die Protestierenden mit ihrer antirussischen Politik erst zur Waffengewalt gezwungen haben. „Es empört uns, wenn der ukrainische Staat gegen die russische Sprache vorgeht, wenn russische Fernsehkanäle blockiert werden, wenn das Bildungssystem auf Ukrainisch umgestellt wird“, sagt Buntowskij.

Im Februar hatte die Übergangsregierung ein Gesetz auf den Weg gebracht, Russisch als zweite Amtssprache abzuschaffen. Zwar verwarf es den Gesetzesentwurf bei den ersten tumultartigen Debatten im Parlament wieder, aber die separatistische Stimmung im mehrheitlich russischsprachigen Osten des Landes war dadurch schon angeheizt worden. „Das Gesetz war natürlich dumm“, ärgert sich Berg. „Denn die Separatisten bauschen das nun für ihre Ziele auf. Eine Diskriminierung der russischen Bevölkerung, wie Scharfmacher behaupten, hat es in der Ukraine nie gegeben.“

Doch offenbar glauben das viele, auch in Donezk. Ältere Menschen vor allem, die der Sowjetunion nachhängen und sich ausschließlich über das russische Fernsehen informieren. „Dass die von Kiew eingesetzte Donezker Regierung auf fast alle Forderungen der Separatisten nach mehr Autonomie eingegangen ist, erfahren diese Leute gar nicht“, beklagt Ökonom Alexej Rjabtschyn von der Universität Donezk. „Das ist das eigentliche Problem“.

Diese Einschätzung kann Diana Berg bestätigen. „Mit meinen Eltern spreche ich nicht mehr über das Thema. Wir wollen nicht streiten.“ Ihre Eltern sind nicht sonderlich politisch, unterstützen aber die Abspaltungsidee aus Angst vor Kiew. Berg widerspricht dem vehement. So gehe es vielen in ihrem Bekanntenkreis. Familien sind zerstritten, Freunde und Arbeitskollegen gerieten aneinander. Auch wenn die Leute wie zuvor zum Einkaufen gingen oder zum Fußball, die Gespräche im Laden oder im Stadion hätten sich politisiert. „Man muss sich schon Mühe geben, all das auszublenden, was um einen herum geschieht“, sagt Berg.

Dass die Lage in Donezk angespannt ist, bleibt auch ausländischen Beobachtern nicht verborgen. Klaus Zillikens ist als Leiter der OSZE-Beobachtermission seit fast zwei Wochen in Donezk. Zwar ist die Situation nicht so angespannt wie in Slowjansk, wo es am Donnerstag Schießereien und Tote gegeben hat, dennoch äußerte sich Zillikens im Gespräch mit dem Deutschlandfunk besorgt. „Das öffentliche Leben geht weiter, es gibt eine Normalität, die funktioniert. Aber die Lage ist sehr instabil.“

So ähnlich beschreiben es auch die Donezker Berg, Rjabtschyn und Buntowskij. Keiner von ihnen befürwortet Gewalt. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auf.

Der prorussische Aktivist Buntowskij ist überzeugt, dass die Mehrheit der Donezker zu Russland gehören will. Auch wenn Ökonom Rybchin mit den letzten Umfragewerten dagegenhält, nach der die Unterstützung für Russland von 38 auf 20 Prozent gefallen ist. „Das zeigt, dass nicht alle Befürworter der Proteste auch eine Abspaltung von der Ukraine wollen. Und die wenigsten wollen, dass Russland mit Truppen einmarschiert“, sagt er.

Das will auch Diana Berg vermeiden. Deshalb wird sie auch kommende Woche mit ihrer Organisation „Donezk gehört zu Europa“ auf die Straße gehen. Um die Innenstadt und die Separatisten will sie einen großen Bogen machen, wie sie sagt. Bergs Kampf für ein Fortbestehen der ukrainischen Stadt Donezk ist längst zum Alltag geworden.