Blogeintrag

wer alten männern lauscht

esfahan – südlicher als bagdad, islamabad, kabul: wir schreiben das
jahr 1389 nach dem persischen kalender und in der tat fühlt man sich
zurück versetzt in das nomaden-mittelalter samt seiner
karawansereien, lehmbraunen wüstenstaedten, prächtigen ornamentiken
an moscheen und madresen (koranschulen) sowie prachtvollen persischen
bädern (hamams), den sinnlichen und sinne reizenden basaren –
überkuppelte lebensadern voller exotischer düfte, laute und farben,
in denen teehaeuser, banken, moscheen, bäder und noch so einiges mehr
entdeckt werden wollen…

in das warme frülings-morgenlicht hinein fügt sich honigweich der
gesang einer gruppe älterer männer, die vor den schattigen
rundbögen der zweistöckigen altertümlichen khaju-brücke im
wettstreit koranverse rezitieren. abseits sitzen die esfahani auf den
zum innehalten einladenden stufen und lauschen, trinken tee oder über
den imposanten safawidenbau bummeln. im halbschatten der hohen
rundbögen steht wie unentschlossen ein mindestens ebenso altes
männlein, das vielmehr der rauen gebirgswelt ostanatoliens
entrsprungen zu sein scheint denn esfahan, wiege persischer kultur.
das lederne gesicht zuckt kaum merklich als es versucht, einen ebenso
abseits stehenden fremden auf sich aufmerksam zu machen; nur die
heranwinkende geste der rechten hand verrät die gedanken des alten.
rasch dreht er sich um, als sein begehr sich erfüllt, und klettert
erstaunlich behende auf einem sockel, der längs zum stützbogen der
brücke liegt, legt seinen kopf mit der seite auf den eckpunkt des
brückenbogens und bedeutet mit einer ungeduldigen geste, es ihm
gleichzutun. dabei formt er mit der hand ein sprachrohr und hält es
stille-post-gleich an eine unscheinbare öffnung. auf der
gegnüberliegenden seite des brueckenbogens erschallt ein
überraschend lauter persischer „kuckuck“. im schatten verborgen vor
den blicken der promenierenden esfahani stehen minutenlang die beiden
sich einander gegenüber doch wie magisch verbunden und im kindlichen
glück geeint und lauschen nicht mehr den gesängen der alten auf den
brückenstufen…