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Der Tango-Cowboy unter Europäern

Vom naiven College-Musiker zum charismatischen Singer-Songwriter: Zwischen seinen Tourneen kehrt Desmond Myers morgen in den Art Club zurück.

Das Beste war der Straßenname: Gumpelzhaimerstraße. So schön deutsch, fand seine Familie aus North-Carolina. Desmond Myers lacht, wenn er an seine erste Regensburger Wohnung zurückdenkt. Die immer nach Friteusenfett roch, wenn sein Mitbewohner hungrig von der Nachtschicht nach Hause gekommen war. Mittlerweile hat Myers kein eigenes Zimmer mehr – es lohnt sich einfach nicht, so viel ist der junge Musiker unterwegs.

Gerade kommt Myers aus Südeuropa zurück. Einen Monat lang schlug sich der Sänger und Gitarrist als Straßenmusiker in Frankreich, Spanien und Italien durch. Myers Augen leuchten, wenn er von seinen Erlebnissen und Begegnungen erzählt. Von der Lebensfreude, die er spürte, als ihn ein Italiener die 160 Kilometer von Trento nach Venedig auf dem Vespa-Roller mitgenommen hat. Von dieser Freiheit hat der 20-jährige US-Amerikaner aus den Südstaaten immer geträumt. So eben mal ins Ausland reisen – das war für einen College-Schüler aus dem konservativen Süden der USA schwer vorstellbar. Myers nennt es „utopisch“, ihm fehlt das treffende deutsche Wort. Doch kurz darauf wurden Europas freie Grenzen für ihn Wirklichkeit.

Mit 18 Jahren nach Deutschland

Auf dem größten Musikfestival in der Südstaatenmetropole Charlotte, der Tosco Music Party, spricht ein deutscher Produzent den damals 18-Jährigen an, erzählt vom Musikerleben in Europa, lädt das Talent nach Deutschland ein. Und will mit Myers ein Album herausbringen. Sein Label Elephantom hat seinen Sitz in Regensburg. „Cool“ dachte Myers nach einem Blick auf die Landkarte: „Drei Stunden von Italien“. Im Februar 2011 kommt Myers nach Deutschland. Heute lacht der Rufus-Wainwright-Fan über seine naive Hoffnung auf schnellen Ruhm. Denn der junge Musiker investierte in ein Album, mit dem er sich nie ganz identifizierte – und das bisher nur zum Teil veröffentlicht wurde. „Das war nicht Desmond“, kommentiert Myers rückblickend sein Erstlingswerk.

Der Songwriter hat seine Lehren daraus gezogen. Heute arbeitet er nur mit Personen zusammen, denen er vertraut. Wie Philipp Niklas und Julia Pellizzari. Sie buchen für Myers Tickets, organisieren seine Konzerte, begleiten ihn auf Tournee. Wie zuletzt in Spanien und Italien, wie auch bei den bevorstehenden Touren in die USA und durch Deutschland. Die beiden Jungunternehmer haben aber auch immer eine Couch für ihn frei. Sie sind Manager, Promoter und Freunde in Einem.

Eigene Platte, Paris, Südamerika?

Kennen gelernt haben sie sich letztes Jahr im Artclub, dem Musikertreff schlechthin in Regensburg. Seither nimmt Myers Karriere Formen an. Er tourte mit Fiva & Das Phantom Orchester durch Deutschland. Auf dessen Albumtitelsong „Die Stadt gehört wieder mir“ ist der Sänger mit einer kurzen Rap-Einlage zu hören. Dazu kam es, weil der Bassist Rüdiger Linhof (bekannt von den Sportfreunden Stiller) im Münchner Café Josefa auf die MC-Qualitäten des Neu-Regensburgers aufmerksam wurde.

Es scheint sich alles zu fügen für den vielseitigen Musiker, der von sich behauptet, „noch nie einen guten Song geschrieben“ zu haben. Es ist nicht nur diese Bescheidenheit, die den jungen Liedermacher sympathisch macht. Es ist seine Begeisterung für musikalische Entdeckungsreisen und seine Liebe zu guten Geschichten, die man dem „Cowboy Nuevo Tango“, wie Myers selbst seinen Musikstil bezeichnet, anhört. Wenn er zur Gitarre greift, wird offenkundig, dass dieser junge Musiker mehrere Seelen im Herzen trägt. Myers ist ein Romantiker, der wie ein Europäer denkt und wie ein Südländer fühlt, und der „noch viel erleben“ will. Man darf gespannt sein, wie sich seine Musik weiterentwickelt.

Der Text erschien in der Mittelbayerischen Zeitung:Der Tango-Cowboy unter Europäern