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Die Rache der Chavisten

Die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado wird der Regierung gefährlich. Präsident Maduro versucht, sie wegen Landesverrats zu verurteilen.

Maßlos, kaltblütig, nachtragend – so verhält sich die venezolanische Regierung von Nicolás Maduro. Zu spüren bekommt das gerade insbesondere María Corina Machado.

Machado ist eine parteilose Oppositionspolitikerin und führt seit der Verhaftung des bisherigen Oppositionsführers Leopoldo López vor fünf Wochen die Massenproteste gegen die Regierung an. Bis zu diesem Montag war sie Abgeordnete der Asamblea Nacional, des venezolanischen Parlaments. Nun hat ihr die Regierung de facto das Mandat entzogen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auf Bitte der Regierungsfraktion gegen sie, wegen Landesverrats, Totschlags, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Sachbeschädigung. Unter anderem. Machado soll für die sozialen Unruhen verantwortlich gemacht werden. Auf diese Art hatte Präsident Maduro schon López, seinen ärgsten Kontrahenten, politisch kaltgestellt. Die Anklage gegen Machado könnte bald folgen. Jetzt, da sie ihre Immunität verloren hat.

Die Regierung in Caracas hat in den vergangenen Tagen hart durchgegriffen, um dissidente Stimmen im Land zum Verstummen zu bringen. Maduro ließ drei Luftwaffengeneräle festnehmen, die an Umsturzplänen beteiligt sein sollen. Zwei oppositionelle Bürgermeister wurden zu Haftstrafen verurteilt, weil sie aus Sicht der Regierung die Proteste in ihren Städten nicht hinreichend eindämmten. Maduro kündigte allen Verschwörern das „härteste Gesetz“ an, das die Verfassung erlaube. Die Botschaft war unmissverständlich: Jeder Verschwörer müsse mit langen Haftstrafen rechnen. Die Drohung war auch an die Opposition gerichtet. Sie könnte bald Machado treffen.

Schon vor Jahren hatte Machados Kritik die Regierung genervt. Vor zwei Jahren wagte sie es, den „Commandante“ Hugo Chávez höchstpersönlich anzugreifen und dem Staat Raub vorzuwerfen. Der mittlerweile verstorbene Ex-Präsidententeignete und verstaatlichte unter seiner vierzehnjährigen Amtszeit Privatunternehmen nach Gutdünken. Damals ignorierte die Regierung Machados Angriffe einfach. Bei den Präsidenten-Vorwahlen 2012 holte sie nicht mal vier Prozent der Stimmen und schied als Kandidatin aus.

Doch nun könnte Machado für Maduro politisch gefährlich werden. Seit Beginn der Proteste im Februar, bei denen schon mehr als 30 Menschen getötet wurden, reagiert das Regierungslager auf jede Provokation. Im Parlament warf Machado der Staatsgewalt Folter vor –  man drehte ihr die Mikros am Rednerpult ab. Machado trommelte die Bürger auf der Straße zusammen – im Parlament drohte man ihr mit der Aufhebung der Immunität. Als Machado dann vor einer Woche auf Einladung Panamas an einer Konferenz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) teilnahm, um dort die „Version des Volkes“ über die Proteste in ihrem Heimatland darzulegen, war das Maß voll.

Machado habe ihren Sitz verloren, kündigte Parlamentspräsident Diosdado Cabello von der Regierungspartei PSUV nur wenige Tage später mit. Machado war zu diesem Zeitpunkt noch außer Landes. Dass Machado formell ein diplomatisches Amt angenommen hatte, um an der OAS-Konferenz teilnehmen zu können, verstoße gegen die Landesverfassung. „Diese Frau betritt bis zum Ablauf der Legislaturperiode weder das Parlament, noch wird sie ihre Aufgaben als Abgeordnete wahrnehmen noch ihr Büro betreten“, stellte Cabello klar. Der Nachrückkandidat Ricardo Sánchez sei bereits informiert.

Machado selbst ignoriert die Maßnahmen der Regierung. „Nur Tod, Rücktritt, Rückruf durch die Wähler oder ein Gerichtsurteil können einen Abgeordneten rechtskräftig des Amtes entheben. Ich bleibe Angeordnete“, verkündete sie am Mittwoch vor mehreren hundert Anhängern am Flughafen Caracas. Sie sei bereit, weiter zu kämpfen, bis Demokratie und Freiheit erobert seien, rief sie der Menge zu.

Dass Machado die Rache der Regierung bald zu spüren bekommen wird, dürfte gewiss sein. Wie rigoros die Gerichte des Landes derzeit nach Regierungswillen urteilen, zeigt das Schnellverfahren gegen Daniel Ceballos, den oppositionellen Bürgermeister von San Cristóbal. Dort starteten im Februar die landesweiten Proteste gegen die Regierung. In der Anklageschrift wird Ceballos vorgeworfen, eine Anweisung zur Eindämmung der Gewalt ignoriert zu haben. Ceballos Anwälte wissen davon nichts. Er wurde bereits verhaftet. Die Regierung Maduro vergisst nicht.