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Kein Frieden für die Eta

Die baskischen Unabhängigkeitskämpfer der Eta haben ihre Waffen abgegeben. Die konservative spanische Regierung lehnt einen Friedensprozess mit der Terrorgruppe ab.

Kaum ein Thema ist in Spanien so emotional besetzt wie die baskische Untergrundorganisation Eta. Sie kämpfte gegen die Niederhaltung der baskischen Kultur während der Franco-Diktatur und für die Autonomie der Region im Nordwesten Spaniens. Darüber wurde sie zur Terrororganisation. Seit 1959 hat die Eta über 800 Menschen getötet – auch nachdem Spanien 1975 zur Demokratie zurückgekehrt ist.

Zwar schworen die Eta-Kämpfer Ende 2011 endgültig der Gewalt ab, doch die spanische Gesellschaft hat die blutigen Jahrzehnte der Bombenattentate und Entführungen nicht vergessen. „Die Eta-Vergangenheit ist immer noch eine offene Wunde“, sagt die Politologin Ulrike Borchardt, die an der Universität Hamburg über den Eta-Terrorismus forscht.

Das spürte auch der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy, als er sich vergangenes Jahr einem Urteil des europäischen Menschenrechtsgerichtshofesbeugte und rund 100 Eta-Häftlinge freiließ. Zehntausende protestierten in Madrid gegen die Nachgiebigkeit der Regierung. Im konservativen Lager kam es zu Austritten aus Rajoys Volkspartei PP und zur Gründung der neuen Rechtspartei Vox.

Keine direkten Verhandlungen

Doch auch die Regierung in Madrid steht für ihren Umgang mit dem autonomen Baskenland in der Kritik: Im Januar verbot ein Madrider Gericht eine Kundgebung von Eta-Unterstützern. Seit Langem fordert die Eta die Verlegung der rund 530 verbliebenen Häftlinge in Gefängnisse in ihrer Heimat. Die wegen Terrorismus Verurteilten sind zurzeit in ganz Spanien und Frankreich verteilt. Manche sind seit 20 Jahren in Haft. Zu Beginn dieses Jahres hatten Eta-Angehörige erstmals die volle Verantwortung für die Attentate übernommen und im Gegenzug eine General-Amnestie gefordert.

Dies wies Rajoy entschieden zurück: „Es wird keine Änderungen der Haftbedingungen geben“, erklärte er zudem im Januar. Anders als die sozialistische Oppositionspartei PSOE, die in ihrer Regierungszeit von 2004 bis 2008 direkt mit der Eta verhandelte, lehnt die Volkspartei (PP) nach wie vor Gespräche mit der Untergrundorganisation kategorisch ab. „Die Feindschaft mit der Eta ist Teil der Identität der PP“, sagt Expertin Borchardt. „Die konserative Partei würde sich die Blöße geben, ihren Lieblingsfeind salonfähig zu machen.“

Seit diesem Wochenende ist in Spanien die Kontroverse um den Umgang mit der baskischen Untergrundorganisation neu entbrannt. Dieses Mal geht es um den selbst auferlegten Friedensprozess, den die verblieben Eta-Kämpfer eingeleitet haben. Im Januar haben sie einen Teil ihres Waffenarsenals abgegeben. Das bestätigte eine internationale Kommission am Freitag. Auf einer Pressekonferenz in der baskischen Metropole Bilbao teilte sie mit, dass rund 16 Kilogramm Sprengstoff, Zünder, vier Schusswaffen, zwei Granaten, sowie Munition„unschädlich“ gemacht worden seien. Der Sprecher der Kommission, Ram Manikkaligam aus Sri Lanka, wertete dies als „bedeutenden Schritt“ für einen künftigen Friedensprozess. „Es besteht eine ernsthafte Möglichkeit, dass die Eta nachweislich ihr gesamtes Waffendepot unbrauchbar machen wird“, erklärte Manikkaligam in einer zweiten Stellungnahme am Montag.
Die Entgegnung der Regierung aus Madrid ließ nicht lange auf sich
 warten. Am Montag Nachmittag drohte Innenminister Jorge Fernández Días
den Ex-Kämpfern mit dem Einsatz der Streitkräfte, sollten sie nicht
 umgehend die Waffen aushändigen. „Wir stehen vor keinem Friedensprozess,
 sondern vor der Auflösung dieser Terrorgruppe“, sagte Fernández nach 
Angaben der spanischen Tageszeitung El País vor Absolventen des 
Nationalen Polizeikorps in Madrid. Und gerichtet an die Kommission zur
 Überwachung des Waffenstillstands, die die spanische Regierung nicht
 anerkennt, stellte Fernández klar: „Machen Sie sich keine Sorgen, die
 Polizei und die Guardia Civil werden schon überprüfen, ob sie die Waffen
 aushändigen.“

Die Regierung hat damit unterstrichen, dass sie gegenüber den verbliebenen Untergrundkämpfern nicht zu Zugeständnissen
 bereit ist. Mehr noch: Sie hat der Eta abgesprochen, Anrecht auf einen
 staatlich gelenkten Friedensprozess zu haben. „Es gibt keinen 
Friedensprozess, weil es keinen Krieg gab“, erklärte Innenminister
 Fernández trocken.

Im Grunde ist keine der beiden Seiten zu wirklichen Zugeständnissen bereit, erklärt Politikwissenschaftlerin Borchardt: „Weder will die PP alle Häftlinge plötzlich freilassen, noch wollen die militanten Eta-Kämpfer aufhören, Rechenschaft für den Staatsterror einzufordern.“ Selbst im demokratischen Spanien seien Eta-Aktivisten von Polizei und Geheimdiensten gefoltert worden.

Der ungelöste Konflikt ist auch Ausdruck dafür, dass im heutigen Spanien nach wie vor unterschiedliche Lesarten der Eta-Vergangenheit bestehen. Das wird sich auch am Mittwoch zeigen, wenn Ministerpräsident Rajoy morgen vor dem Kongress traditionell die vergangene Amtszeit verteidigt. Wie die spanische Tageszeitung La Razón meldete, wird er auch eine Botschaft an die Eta verlesen: Die Regierung werde nicht mit Terroristen verhandeln. Der Eta bliebe nur die Auflösung.

„Die Eta ist eine Organisation, die sich totgelaufen hat“, stellt Borchardt fest. „Aber es geht nicht so weit, dass eine der beiden Seiten sagen würden: Wir fangen neu an.“