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Papst Franziskus korrigiert seine Vorgänger

Papst Franziskus wird den Befreiungstheologen Óscar Arnulfo Romero seligsprechen. Das ist ein politisches Signal: an die Politiker in El Salvador – und an den Vatikan.

El Salvador feiert die Nachricht aus Rom: Der Papst wird Óscar Arnulfo Romero seligsprechen. Von „unglaublicher Freude“ sprach die Katholische Landeskirche, die Regierung gar von „glückserfüllten Salvadorianern“, die Romeros Botschaft in sich trügen. Am Dienstag hatte Papst Franziskus verkündet, was viele Menschen in dem kleinsten Land Mittelamerikas längst glauben: Der Erzbischof von El Salvador ist ein Märtyrer, der für seinen Glauben gestorben ist. „Romero ist ein Mann Gottes“, pflichtete am Mittwoch auch Bischof Vincenzo Paglia dem Papst bei.

Am 23. März 1980 richtete Erzbischof Romero einen eindringlichen Appell an die Soldaten des Militärregimes, das damals seit einem Jahr das Land beherrschte: „Im Namen Gottes und im Namen dieses leidenden Volkes, dessen Wehklagen täglich eindringlicher zum Himmel steigen, flehe ich Sie an, bitte Sie inständig, ersuche ich Sie im Namen Gottes: Machen Sie der Repression ein Ende.“ Er prangerte die Gewalt und die soziale Ungerechtigkeit öffentlich an. Einen Tag nach diesem verzweifelten Appell erschoss ein Auftragskiller der Militärregierung Romero während einer Messe.

Das Dekret aus Rom, das Franziskus nach einem Treffen mit dem Präfekten der Heiligenkongregation, Kardinal Angelo Amato, am Dienstag erlassen hat, sieht im „Hass gegen den Glauben“ den Grund für Romeros Tod. Damit machte der Papst den Weg frei für die Seligsprechung.
Glaube und Gerechtigkeit

Jesuitenpater Martin Maier, der mehrere Jahre in El Salvador als Pfarrer und Hochschuldozent gearbeitet hat, ergänzt jedoch: „Es gibt auch Märtyrer, die umgebracht werden, weil sie sich für die Gerechtigkeit einsetzen“. Romero wäre nach seiner Interpretation der erste Märtyrer in der Katholischen Kirche, der nicht wegen seines Glaubens umgebracht worden ist, sondern weil er Unrecht angeprangert hat. Maier sagt aber auch: „Die Predigten, die er gehalten hat, waren prophetisch, so wie die der großen Propheten des Alten Testaments.“

Glaube und Gerechtigkeit – für Papst Franziskus hängen die Begriffe eng zusammen. Erst im August des vergangenen Jahres hat er eine mögliche Seligsprechung Romeros öffentlich mit beidem begründet und damit das seit 1990 laufende Verfahren neu angestoßen.

Es brauchte einen Papst aus Argentinien, um dieses Zeichen innerhalb der Katholischen Kirche zu setzen. Denn die „Theologie der Armen“ oder „Befreiungstheologie“, die lateinamerikanische Geistliche als Antwort auf die brutalen Militärregierungen der 1960er und 1970er Jahre in der Region formulierten, wurde im Vatikan lange abgelehnt. Und einer ihrer Hauptvertreter war Óscar Arnulfo Romero.
Eine Ermutigung für viele

Papst Franziskus jedoch ist der selbst erklärte Papst der Bedürftigen. Kaum drei Tage im Amt wünschte er sich „eine arme Kirche für die Armen“. Und stellte sich damit in die Tradition der Theologie der Armen.

Franziskus ermutigt damit viele Menschen in El Salvador, die noch heute für die Aufarbeitung des Unrechts von damals kämpfen. Wie Margarita Zamora, die sagt: „Für uns Anhänger von Romero ist längst klar, dass er ein Heiliger war. Es fehlte lediglich die offizielle Bestätigung von der Kirche. Romero inspiriert uns, weiterzukämpfen, nicht aufzuhören, bis sich die gesamte Wahrheit aufgeklärt hat.“

Seit 20 Jahren sucht Zamora nach Kindern, die unter der Militärherrschaft verschleppt und an Adoptiveltern in aller Welt verkauft wurden. 392 solcher Fälle hat Zamoras Organisation „Pro Búsqueda“ schon aufgeklärt. Dank dieser Arbeit ist in El Salvador auch bekannt, wer sich an den Kindesentführungen bereichert hat – und wer für die vielen Morde an der Bevölkerung verantwortlich ist. 75.000 Menschen wurden in dem Bürgerkrieg zwischen 1980 und 1992 getötet. Verurteilt wurde bis heute niemand für diese Verbrechen.

„Für die Opfer ist es aber wichtig, dass Schuldige benannt werden“, sagt Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero CIR. „Das ist oft der erste Schritt hin für eine Heilung. In El Salvador haben viele Menschen großes Leid erfahren, und es ist schrecklich, wenn sie immer noch den Mörder der Tochter oder des Vaters auf der Straße herumlaufen oder sogar im Fernsehen sehen müssen.“ Pflaum unterstützt die Arbeit von Pro Búsqueda von Deutschland aus.

Dass die Täter, die im Auftrag des Staates Verbrechen verübten, zur Verantwortung gezogen werden, verhindert jedoch ein Amnestie-Gesetz aus dem Jahre 1993. Zamora glaubt, dass die Seligsprechung Romeros die juristische Aufarbeitung beschleunigt: „Romero war eine Person, die ihr Leben gab in der Überzeugung, dass nur ein entschiedener Widerstand das System ändern kann.“
Mörder bleiben in Freiheit

Seit sechs Jahren stellen die ehemaligen Widerstandskämpfer der linksgerichteten Regierungspartei FMLN den Präsidenten. 2010 hat sich Mauricio Funes erstmals für die begangenen Staatsverbrechen und den Mord an Erzbischof Romero entschuldigt. Sein Nachfolger Sánchez Cerén hat öffentlich die Gewalt durch die Guerilla bedauert. Doch keiner von beiden hat es gewagt, das Amnestie-Gesetz von 1993 zu kippen. So bleiben dann auch die Mörder eines Heiligen weiter auf freiem Fuß – vorerst.

Wann Romero seliggesprochen wird, steht noch nicht fest. Viele tippen auf den 24. März, dem 35. Todestag Romeros.