Blogeintrag

der schlangenjäger von cimalmotto

vorsichtig platziert der schmächtige mann eine kleine glasschale mit milch vor dem holzschuppen. an die wand lehnt er geräuschlos eine große, von rost und kuhfladen verfärbte schaufel. der köder ist ausgelegt, die waffe steht bereit. der senner auf der alpe magnello im valle di campo stellt eine schlangenfalle auf. möglicherweise hat die hilfskäserin beim holz machen eine giftige aspisviper aus ihrem versteck zwischen den fichtenscheiten aufgeschreckt. der senn, wie hier die senner heißen, ist verantwortlich für den almbetrieb, den zwölf milchkühen, sechs ziegen und den sennerhund jango. eine verantwortung, die der junge mann ernst zu nehmen scheint.

„um punkt 15 uhr schaut die schlange raus“, prophezeit er, während er sich in der wärmenden vormittagsonne vor dem holzlager postiert – bereit, der entfleuchenden schlange mit der schaufel den kopf abzuschlagen. er scheint sich seiner sache sicher zu sein. den trick mit der milch kennt der junge schweizer nicht nur aus den erzählungen der alten. in der südschweiz gehört die schlangenjagd zur alm-routine. denn an den sonnigen warmen südhängen des tessins sind verschiedene vipern- und natternarten heimisch. früher sei die alm unten im dorf nahezu berüchtigt für viele schlangen gewesen, erzählt der senner, ohne dabei das offene schuppentor aus den augen zu lassen. der junge almchef erzählt von zeiten, in denen die traditionellen holzhäuser im tal noch ganzjährig bewohnt waren. es klingt es, als ob er sich in eine vergangene zeit zurücksehne, die er selbst nicht kennen lernen durfte.