Blogeintrag

tango unter platanen

schweissperlen bilden sich auf der stirn vor den sorgfältig nach hinten gegeelten haaren. der mann, das sieht man auch aus der ferne, nimmt seinen beruf ernst. es ist 22 uhr nachts und der normalerweise um diese uhrzeit einsetzende, die metropole aus der lähmung befreiende wind ist bisher ausgeblieben. kein lüftchen bewegt sich, selbst die so dankbar raschelnden blätter der mediterranen platanen hängen regungslos von den braun-oliv gefleckten ästen herab, als schien es ihnen schlicht zu mühsam, sich zu bewegen. trotz dieser widrigkeiten trägt der mann ein sakko. und schwitzt, und ist glücklich, denn der mann singt tango. ein magisches band zieht sich von dem sänger zu dem tango-orchester, das hinter ihm auf einer freiluftbühne in der mitte des sternförmig angelegten platzes in einem der traditionsviertel der stadt auf stühlen platz genommen hat, und weiter zu den andächtig lauschenden, die in der ihnen so eigenen nostalgie gebannt sind. ein normales konzert, könnte man denken, in einer nach unseren massstäben zugegebenermassen besonders laue nacht und aussergewöhnliche emotion?

könnte man…., würden die leute nicht dazu auf dem platztango tanzen,… spüren,… leben. hinter den erschlafften blättern der platanen taucht ein frisch aufgegangener vollmond die sinnlichkeit dieser szene in ein silbernes gewand. jung und alt zirkelt und wirbelt auf den pflastersteinen, auf denen unter tags alte mütter taubenfutter verteilen. die älteren paare sind in abendgardarobe gekommen, anmutig schwelgen sie der zeit, in der sie jeden abend zu einer milonga zum tanzen ausgegangen sind. dabei tanzt jedes paar, als sei es ihre bühne, ihr tanz, ihr ruhm. zwischen den tänzen werden spanische fächer zur schau gestellt und die stofftaschentücher passen farblich zu den zweiteilern der galants. dazwischen tanzt die nächste und übernächste generation in badeshorts und flipflops. auf den grünflächen rundum sitzen jugendliche und trinken bier und heben hin und wieder den blick auf die szene. ein krankenwagen rauscht vorbei; eisverkäufer schreien ihr monotones werben gegen die ryhtmen der bandoneons an; die kartonsammler verrichten stumm ihre nächtliche routine und an den tischen des steak-restaurants an der ecke stehen die gäste schlange, es scheint eine gute parrilla zu sein. noch ist auf dem platz die zeit eingefroren, zurückgedreht. danach werden die schlangen an den tischen länger.